Mistas - die vergessene Stadt

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Mistas - die vergessene Stadt (Story zu Teil 5 der Mistas Quest)


Die Nachmittagssonne schickte ihre Strahlen durch das Bleiglasfenster und tauchte so den Raum in ein angenehm goldfarbenes Licht. Obwohl der Frühling erst vor wenigen Tagen begonnen hatte, war es nicht kalt.

Jedoch hätte die Temperatur allein wohl kaum ausgereicht, den Schweißtropfen zu erklären, welcher soeben die Schläfe des jungen Boten hinunterlief, der vor dem Schreibtisch stand.

Mühsam unterdrückte er den Drang, den Tropfen wegzuwischen, doch unter dem festen Blick Sir Darions wagte er es nicht, seine Habtachtstellung aufzugeben.

Der Ratsvorsitzende war nicht für seine übermäßige Strenge bekannt, doch einem Vorgesetzten schlechte Nachrichten zu überbringen war nun einmal keine angenehme Aufgabe.

"Also nach wie vor kein Erfolg.", fasste Darion die Situation nachdenklich zusammen. Dann straffte er sich und schenkte dem Boten ein schmales Lächeln.

"In Ordnung, vielen Dank. Ihr könnt gehen." Der Bote verneigte sich kurz und verließ sichtlich erleichtert den Raum.


Belan, der Diener und Adjutant des Ratsvorsitzenden, der während des Berichts hinter seinem Herrn gestanden hatte, ging nun um den Schreibtisch herum.

"Ich fürchte, es war wohl auch keine günstigere Nachricht zu erwarten, Euer Lordschaft.", wandte er sich an Darion. Dieser nickte grimmig.

"Monate, Belan! Seit Monaten versuchen wir nun schon diplomatische Beziehungen zu den Bewohnern von Mistas aufzubauen. Wir wollen doch nur helfen, zumindest einen Teil der Schuld wiedergutmachen.

Doch unsere Boten werden nicht in die Stadt eingelassen noch bemüht sich einer der Stadtoberen hinaus, um sie zu empfangen. Wir wissen heute kaum mehr als zu Beginn."

Belan räusperte sich leicht, wie immer, wenn er in Begriff war, seinem Dienstherren zu widersprechen. "Nun, das ist nicht völlig korrekt, Euer Lordschaft.

Zwar ist es mir immer noch nicht gelungen, direkte Berichte aus dem Inneren der Stadt zu erhalten, doch einige Informationen stehen uns schon zur Verfügung."

Direkte Berichte aus dem Inneren der Stadt. Sir Darion zog eine Augenbraue hoch. Nur wenige Menschen wussten, dass sein Diener Belan neben seinen vielfältigen Aufgaben auch ein Netzwerk von Informanten unterhielt.

Darin war er - wie in allen anderen Belangen auch - sehr gut. Nur sehr wenig blieb ihm verborgen. Dass es ihm auch nach Monaten noch nicht gelungen war, einen Informanten in die Stadt einzuschleusen, sprach Bände.

"Das Misstrauen der Bewohner von Mistas ist nach wie vor sehr groß", fuhr Belan fort, "doch wurden einige Außenstehende bereits in das Gasthaus außerhalb der Stadtmauern eingelassen und es ist ihnen auch gelungen, zumindest teilweise das Vertrauen der Bürger zu gewinnen."

Sir Darion nickte. Da die Bewohner von Mistas ihre Stadt kaum verließen, hatten sie die Hilfe einiger Abenteurer gerne angenommen, die für sie verschiedene Aufgaben außerhalb der Stadtmauern erledigt hatten.

Doch dieser Annäherungsprozess dauerte, Vertrauen wuchs nicht über Nacht.

Der Diener fuhr fort: "In den letzten Tagen muss jedoch etwas vorgefallen sein. Ein Gewürzhändler hatte wohl einen Lieferanten vermisst, was Anlass zur Besorgnis gab.

Schließlich konnte sein Verschwinden auf einige Juka zurückgeführt werden. Der Anführer dieser Juka hatte Papiere bei sich, die dem Kaufmann übergeben wurden. Wir wissen, dass es dieser danach sehr eilig hatte.

Seitdem ist er mehr als unruhig. Es steht also zu befürchten, dass es sich um besorgniserregende Nachrichten handelte."

Seufzend erhob sich Sir Darion. "Eine verwickelte Angelegenheit. Wir wollen helfen, doch diese Leute vertrauen uns nicht. Wir müssen wohl darauf hoffen, dass Einzelne dort Erfolg haben, wo wir nicht weiterkommen."

"Die Diplomatie des kleinen Mannes, könnte man es wohl nennen, Euer Lordschaft.", pflichtete Belan ihm bei. Sir Darion schnaubte leise. "Belan, Du bist ein Snob und wirst es immer bleiben. Diplomatie des kleinen Mannes, also wirklich!"

Er zog seinen Umhang an. "Ich muss zu einem Ortstermin bei der Kaufmannsgilde."


Benjamin Ruf, seines Zeichens Gewürzhändler von Mistas, seufzte leise. Als Lola, die Bedienung, ihm ein Glas Wein hinstellte, lächelte er sie dankbar an. "Lola, Du liest mich wie ein offenes Buch.", erklärte er feierlich.

Die Kellnerin errötete und eilte zurück zur Theke. Gedankenverloren drehte Benjamin das Glas in seinen Händen. Was sollten sie nur tun?

Die Bedrohung war nicht von der Hand zu weisen, doch der Bürgermeister hatte jede Verhandlung mit den Außenweltlern rundheraus abgelehnt.

Benjamin wusste, dass der Rat von Britain erst wieder einen Boten geschickt hatte und er wusste auch, dass dieser, wie schon seine Vorgänger, unverrichteter Dinge wieder abziehen musste.

Dennoch waren sie auf die Hilfe anderer angewiesen, allein wäre die Stadt, ihr Schutz und ihre Zuflucht, zum Untergang verdammt. In den letzten Wochen hatten sich einige Außenweltler als sehr nützlich und freundlich erwiesen.

Wären sie nicht gewesen, wüssten wir nicht einmal etwas von der Gefahr, in der wir schweben, überlegte er. Nun, er hoffte inständig, sie würden sich in Zukunft als ebenso hilfreich und vertrauenswürdig erweisen.

Er nahm einen kleinen Schluck. Ein Tropfen Wein fiel auf seinen langen, braunen Bart, missmutig wischte er ihn weg. Dann lehnte er sich zurück und nickte gedankenverloren. Mistas würde jede Hilfe benötigen, die sie bekommen konnten.